
Auf deinem Smartphone stapeln sich die geöffneten Tabs der Onlineshops. Deine virtuellen Warenkörbe sind prall gefüllt und das bleiben sie auch die nächsten Tage. Selbst wenn du dich zum absenden der Bestellung durchgerungen hast, bist du nicht am Ziel angelangt, denn die meisten Artikel gehen Retour. Beruflich sieht es nicht viel zielstrebiger aus. Du sammelst die Stellenanzeigen wie Briefmarken, doch an die Bewerbungsunterlagen setzt du dich nicht. Also bleibst du da wo du bist. In deinem Job der dich nicht wirklich ausfüllt. Genauso machst du es auch in deinen zwischenmenschlichen Beziehungen. Wie eine Schiffbrüchige weißt du nicht in welche Richtung du schwimmen sollst. Bleiben oder gehen. Sich verabreden oder zu Hause bleiben. Die Wahlmöglichkeiten sind scheinbar endlos. Jede Entscheidung könnte die falsche sein und so bleibt alles wie gehabt. Und wenn du dich umschaust, merkst du, dass es eigentlich allen so geht.
Dating
„Im Grunde weiß ich nach dem zweiten Date in welche Richtung das mit einer Frau gehen kann. Das dritte Date ist im nur noch zur Überprüfung da. “
Was ist denn so verdammt sexy daran, so lange wie möglich unverbindlich zu bleiben?
Die Treffen sind geplant und es ist klar, worum es beiden geht. Unverbindlichkeit schafft die Freiheit, gemeinsam die Sonnenseiten des Lebens zu genießen und den Beziehungsstress auszublenden. Das Kuscheln nach dem Sex, die guten Gespräche beim Italiener um die Ecke, die gemeinsamen Reisen.
Keiner hat Ansprüche oder Erwartungen an den anderen. Das ist vertraglich ausgeschlossen, schließlich »sind wir kein Paar, wir treffen uns nur ab und zu und haben Spaß«.
Männer und Frauen sind ehrlicher geworden, wenn es um nichts Festes geht. Nur eine Option zu sein, ist kein Ausschlusskriterium mehr. Solange beide es vorher offen kommunizieren. Darauf kann man sich dann immer als Rettungsanker berufen, wenn doch Gefühle aufkommen.
Es war klar, dass du dich nicht verlieben darfst. Wenn dir dieser Fauxpas passiert, musst du selbst sehen, wie du dich wieder unter Kontrolle bekommst.
Nervt es dich, dass du auf Partys als die »nur Freundin« vorgestellt wirst, obwohl ihr zusammen nach Hause geht und der nächste Tag schon gemeinsam geplant ist?
Nervt es dich, dass du Single bist, dich aber mit einem bestimmten Mann verbunden fühlst?
Warum macht ihr nicht den nächsten Schritt, warum steckt ihr in der Kennenlernphase fest, obwohl ihr inzwischen herausgefunden habt, ob ihr zusammen passt?
Das Zauberwort heißt Verantwortung. Diejenigen, die sich nicht binden wollen, haben große Angst, unter dem Druck der Verantwortung zu zerbrechen.
Echte Männer wollen ihre Frau beschützen. Sie fühlen sich automatisch verantwortlich für die zerbrechlichen Gefühle ihrer Geliebten.
Ein Mann, ein Wort, wenn ein Mann sich für eine Frau entscheidet, dann ist er ihr verpflichtet und muss automatisch die anderen Optionen ziehen lassen. Was aber, wenn er dadurch eine bessere Option verliert?
Der vermeintlich goldene Weg der Unverbindlichkeit entpuppt sich als extreme Form des Scheiterns.
Wenn ich Verbindlichkeit vermeide, hinterlasse ich verbrannte Erde und breche Herzen.
Die Gefühle, für die ich keine Verantwortung übernehmen wollte, habe ich tiefer verletzt, als wenn der Beziehungsversuch einfach gescheitert wäre.
Zuerst bekommt dein Selbstwertgefühl Risse, weil du nichts Besonderes bist, sondern nur die momentan interessanteste Option für dein Gegenüber, und du verleugnest immer wieder deine tieferen Gefühle.
Wenn ich schon keine Verantwortung für einen anderen Menschen übernehmen will, dann wenigstens für mein eigenes Handeln.


Interpretation und Anmerkung
Bei diesen Studien worden beide Geschlechter befragt, in beiden Studien sagten 100% der Frauen „Nein“.
Sind Männer in den letzten 40 Jahren anständiger geworden? Können sie sich einfach nicht mehr entscheiden und sagen lieber nein? Sind Männer weniger Risikobereit als in den wilden 80ern? Haben Männer verlernt Face to Face auf Flirtversuche zu reagieren?
Freundschaften
Auch vor Freunden macht das Phänomen „Unverbindlichkeit“ nicht halt. Du hast bestimmt schon ähnliche Situationen erlebt. Anstatt das nächste Treffen mit deiner besten Freundin langfristig fest einzuplanen, verschiebt man die Entscheidung auf Kurzvorknapp. Die Gründe klingen nachvollziehbar: Abwarten wie das Wetter wird, der Partner hat seine Pläne für den Tag noch nicht verraten, das Auto ist in der Werkstatt usw..
Was haben wir davon, wenn wir uns tagelang damit beschäftigen, ob wir am Samstag etwas zusammen machen oder nicht? Ist es nicht einfacher, sich festzulegen und sich dann auf andere Dinge zu konzentrieren?
Machen wir uns nichts vor. Das Treffen mit der Freundin ist nicht der einzige Termin, der in der Schwebe hängt. Du weißt noch nicht, wann du einkaufen gehst, wann du den Zahnarzt anrufst, um einen Termin zu vereinbaren, wann du deine Eltern besuchst und ob du überhaupt Zeit für dein Sofa findest. Am Ende machst du nichts davon und fühlst dich seltsam unruhig und zerrissen. Und deiner besten Freundin geht’s wahrscheinlich genauso.
Das Zauberwort heißt hier: Kompromisse schließen. Wenn ich mich für eine Sache entscheide, habe ich keine Zeit für eine andere. Wenn ich mich also am Samstag mit meiner Freundin verabrede, müsste ich auf spontane und vielleicht bessere Alternativen verzichten.
Auch hier stellt sich die große Frage: Warum brauche ich das offene Hintertürchen?
Macht mich das glücklich? Immer möglichst unverbindlich bleiben um kurzfristig noch etwas besseres Vorzuziehen? Und was ist überhaupt besser?
Bedenke: Lässt du dir die Entscheidung bis zur letzten Minute offen, dann hat das Konsequenzen für deine Freundin. Diese kurzfristige Absage ist nämlich immer eine persönliche Ablehnung! in der Wissenschaft spricht man hier vom sozialen Schmerz. Denn, Hand aufs Herz, etwas anderes ist dir in diesem Moment wichtiger als das Treffen mit deiner Freundin. Als ob das Offenhalten von Optionen beim Dating nicht schon genug wäre.
Beverly Fehr von der kanadischen University of Winnipeg führte eine Langzeitstudie zur Erforschung von Freundschaften durch. Seit 1990 beobachtet sie, wie und warum sich Freundschaften über die Jahre entwickeln. Dabei steht zu Beginn an erster Stelle, die räumliche Nähe. Daraus entwickelt sich von Treffen zu Treffen ein tiefergehendes Vertrauen zueinander. Wir öffnen uns der anderen Person. Hier spielt der Faktor Zeit eine erhebliche Rolle. Die Psychologin Fenna Krienen (Harvard University) stellte in einem Experiment fest, dass im Gehirn der Teilnehmer beim Gedanken an die beste Freundin, die gleichen Gehirnareale aktiv waren, als wenn sie über sich selbst nachdachten. Die Universität Chemnitz untersuchte, wie viele dieser engen Freundschaften wir eigentlich führen können. Das Ergebnis: 3 enge Kontaktpersonen. Du siehst also wie selten und damit kostbar unsere Freundschaften sind. Das Thema Zeit und persönlicher Kontakt ist bei der Pflege eben dieser unerlässlich und das Ding mit der Unverbindlichkeit hat da keinen Platz.
Job
Wenn es um wichtige Lebensentscheidungen geht, kann diese Unentschlossenheit noch schwerwiegendere Folgen haben. Dein aktueller Job bietet dir nicht die Entfaltung die du dir vorgestellt hast. Den Schritt in das Neue und Unbekannte macht dir Angst und du hast das Gefühl, du könntest einen Fehler machen. Doch eins vorab. Jede Entscheidung die du triffst ist umkehrbar. Auch und gerade im Job.
Wie gewissenhaft und zuverlässig du arbeitest, ist für deinen Arbeitgeber wichtig. Denn für ihn geht es hier um Geld. Um so Unverbindlicher deine Einstellung zum Job ist, umso größere Auswirkungen hat das auf deinen beruflichen Erfolg. Das spiegelt sich in deiner Arbeitsleistung wieder. Du musst dich auch hier entscheiden. Möchte ich mich in dieser Firma beweisen und weiterentwickeln, bietet mir dieser Job überhaupt die Möglichkeit dazu? Dann bring dich ein und schau was das mit deiner Zufriedenheit macht. Oder setze deinen Fokus auf neue berufliche Optionen. Dann stürze dich in den Bewerbungsprozess. Gib auch hier dein bestes und suche nach Wegen wie du dein neues berufliches Ziel erreichen kannst. Auch das macht sich in deinen Erfolgsaussichten bezahlt.
Fazit
Der Zeitgeist der Unverbindlichkeit legt die gesellschaftliche Überforderung offen. Wir gehen schlichtweg unter, in den unzähligen Möglichkeiten und Optionen. Die Angst vor der Niederlage, wenn wir uns falsch entscheiden. Die Schwere der Verantwortung, wenn wir uns auf etwas einlassen. Der Verzicht auf das Abenteuer, wenn wir uns festlegen.
Du befindest dich also gedanklich in einer Dauerschleife des Abwägens in den verschiedensten Lebensbereichen und setzt dich dadurch ständig unter Druck. Zuerst musst du dir selbst gegenüber verbindlich sein. Dann überträgst du diese innere Überzeugung auf die einzelnen Lebensbereiche. So füllst du zwangsläufig deine Prioritätenliste und hast einen konkreten Fahrplan. Das erleichtert dir das Leben und du gehst – ohne großen Aufwand – verantwortungsvoll mit deiner Zeit und den Gefühlen deiner Mitmenschen um.
Probiere folgendes aus: Plan deine Woche im voraus, dass schafft neue Kapazitäten im Gehirn und gibt dir das Gefühl, dein Leben im Griff zu haben. Die innere Zerrissenheit und das Gefühl, es niemandem recht zu machen, verschwinden automatisch. Und einen extra Tipp gibt es zum Schluss obendrauf:
Express Tipp:
- Vielleicht möchte ich mich beruflich verändern.
- Vielleicht möchte ich mich mit meiner besten Freundin treffen.
- Vielleicht will ich eine Partnerschaft.