Ich möchte vergeben.
Ich will vergeben.
Ich muss vergeben.
Ich soll vergeben.

Doch warum kann ich nicht?
Was genau soll ich vergeben?
Kann ich das Vergeben nicht einfach sein lassen?
Warum sollte es mir danach besser gehen?

Da ist nichts, was ich vergeben kann.
Mir wurde über lange Zeit hinweg kontinuierlich wehgetan.
Es war kein Ausrutscher.
Keine falsche Entscheidung.
Kein Moment der Schwäche.

Es war – und ist noch immer – meine Verantwortung, heißt es.
Ich sollte alles nicht so ernst nehmen.
Nicht so wichtig.
Nicht so dramatisch.

"Da ist doch nichts", sagten sie.
Warum rege ich mich also auf, über diese vielen kleinen Kleinigkeiten?
Was stimmt nicht mit mir?
Warum trifft es mich so tief?

Sie sagen mir, ich müsste meine Haltung ändern, meine Einstellung.
Nicht mehr persönlich nehmen, was mich persönlich betrifft.
Keine Vorwürfe machen. Keinen Druck aufbauen.
Den anderen soll es gut gehen.
Auch sie haben schlimmes erlebt.

Mir ginge es doch gut.
Ich hätte doch alles.

Aber ich hatte nichts.
Keine Rückendeckung.
Kein Verständnis.
Keine Loyalität.

Niemand, der meine Gefühle respektierte.
Der mich schützte, mich verteidigte.
Der mir einfühlsam und geduldig, erklärte, was mich so tief traf.
Nichts wurde abgefedert.
Nichts gemildert.

Stattdessen bin ich die Empfindliche.
Die anderen: die Unschuldigen.
Die es eben nicht besser wissen.

Ich hingegen- reflektiert, klug, schön, kompetent -
hätte mich doch gar nicht so fühlen müssen,
wie ich mich fühlte:
Allein.
Verlassen.
Unverstanden.
Machtlos.

Ich – die Starke, die sich das
Schwachsein nicht erlauben durfte.
Und sie – die scheinbar Schwachen, die geschützt werden mussten.

Verletzend waren sie.
Unnachgiebig. Respektlos. Hinterhältig. Feige und unreif.
Völlig gleichgültig.

Und doch soll ich nun vergeben.
Vergeben. Vergeben. Vergeben.

Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.
Also lasse ich es.

Nichts davon vergebe ich.
Ich vergebe mir.
Ich vergebe mir, dass ich nicht abgehauen bin, um mich selbst zu schützen.
Ich vergebe mir, dass ich geblieben bin.

Ich vergebe mir.

Aber ich vergebe nichts den Menschen, denen ich damals nichts wert war.
Die meinen Schmerz belächelten
und sich jetzt die Ruhe in der Vergebung einfordern.

Nein.
Meine Vergebung wäre die Legitimation eurer Respektlosigkeit.

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