Sie beherrschen die Schlagzeilen in den bunten Blättern, die für einige TV Sternchen die Welt bedeuten. Ihr Schicksal bewegt uns und ein Shitstorm bricht Rekorde, während andere Heilig gesprochen werden. Was passiert hier eigentlich? Schauen wir es uns an…

Herzlich Willkommen in der Vorwurfs-Ecke.
Ab heute gibt es sie, die Ecke für Themen, die aktuell mediale Aufmerksamkeit erhalten. Nicht weil ich auf Reichweite aus bin, sondern weil ich zu allem eine Meinung habe(n will).
Was die Telenovela für Osteuropa, auf dem Balkan, in Nordafrika, China und den USA ist, das sind die Reality Trash TV Formate für uns. Im deutschsprachigen Raum unterhalten uns die Darsteller in ihren TV Formaten und auch abseits davon über Instagram, TikTok, in Potcasts, Youtube Channels und so weiter und so fort. Wir kennen sie, wir lieben sie oder wir hassen sie. Und wenn wir das wollen, können wir sie 24/7 konsumieren. Content liefern das ist ihr Job.
Und die Teilnehmer_innen? Die schnappen sich im Hintergrund mit einem spezialisierten Management gute Werbedeals und verkaufen uns ganz unbemerkt Produkte. Davon können sie sehr gut leben und uns kostet es keinen Cent.
Könnt ihr euch noch an die Klassiker erinnern? Wie Goethes „Faust“, Schillers „Kabale und Liebe“, Shakespeare „Romeo und Julia“? Alles Dramen. Alles Meisterwerke. Episch, herzzerreißend, packend. Teil des Schulunterrichts. Und dann kommen unsere neuen Dramen. Um eines soll es heute gehen.

Prolog
Einst lebten in einem prächtigen Hause zwei Eheleute, M und F, deren Schönheit und Anmut alle Bewunderung auf sich zogen. Sie waren äußerst versiert in den Künsten der Online-Welt, und ihre Anhänger lauschten gebannt den wohlklingenden Stimmen ihres lieblichen Podcasts. Diese beiden, so liebenswert und harmonisch, wurden Eltern von zwei süßen Kindern, die sie innig liebten und deren Privatsphäre sie mit größter Sorgfalt schützten. Man sprach von ihnen als das Traumpaar, das sich auf märchenhafte Weise in einem wenig erlesenen Fernsehformat kennen- und lieben lernte. Nach den Dreharbeiten hielten sie ihr erstes Kind, ein Mädchen, voller Glückseligkeit in den Armen. Ein solches Glück, so schien es, konnte kaum größer sein: Die Herzen der Zuschauer flogen ihnen zu, die Anhängerschaft verfolgte jeden ihrer Schritte, und die Werbepartner erfreuten sich an ihrer großen Reichweite und dem Einfluss, den sie ausübten. So lebten sie, inmitten von Bewunderung und Liebe, ein Leben, das wie ein modernes Märchen schien.
Doch wie es im Leben häufig geschieht, kam auch hier das Unvermeidliche. Es wurde ihnen eine Einladung zum Hofe erteilt, eine festliche Promo-Party zu Ehren eines neuen Fernsehformats. Die Ehefrau, die wir F nennen wollen, hochschwanger und mit einem kleinen Kind an ihrer Seite, war jedoch an das Haus gebunden und konnte nicht teilnehmen.
Um die Werbepartner, die Fernsehleute, das Publikum und auch die Kollegen im Geiste der Höflichkeit zufrieden zu stellen, sah sich der edelmütige und stolze Ehemann, den wir fortan M nennen, gezwungen, die weite Reise allein anzutreten. Er tat dies aus Liebe zur Familie und weil er die Freude am Tanzen, am Trinken und am geselligen Beisammensein schätzte. Für diese Nacht organisierte er sich einen Schlafplatz bei einem guten Freund, mit Namen C, einem Mann, der wenig Glück in der Liebe gehabt hatte und sein eigenes Kind nur selten zu Gesicht bekam.
Vor Jahren trug es sich zu, dass C seine hochschwangere Freundin verlies um allein sein Glück zu finden. Die zurückgelassene Freundin des Herrn C sollte fortan die Beziehung zwischen Vater und Kind erheblich erschweren. Ihr Schmerz darüber, dass er sie einst im Stich gelassen hatte, war tief und unvergessen. Das Publikum, war ganz und gar auf der Seite der leidenden Mutter. Während der Mann als verantwortungsloser Geselle fortan gebrandmarkt sein sollte. Doch die Zeiten werden sich zu seinen Gunsten wenden. Jahre nach jener schmerzlichen Trennung begegneten sich die getrennten Eltern E und C nun auch auf diesem Fest. Der Geburtstag der verschmähten Mutter stand kurz bevor, und ihr Herz war voller Hoffnung, dass ihr ehemaliger Liebhaber ihr zu diesem besonderen Tag gratulieren würde. Doch leider blieb seine Geste aus, und er tat es nicht. Das Drama nahm seinen Lauf, doch sehet selbst.
Akt 1
Die Festlichkeiten auf der großen Promo-Party erreichten gegen die späte Stunde, genauer gesagt gegen den neunten Glockenschlag des Abends, ihren glanzvollen Höhepunkt. In diesem Augenblick erhob sich der treue Freund C, um die Gesellschaft zu verlassen, und begab sich in die Einsamkeit seines Heims, wo er eine geheime Nachfeier, eine private Zusammenkunft mit auserwählten Gästen, zu veranstalten gedachte.
Der Ehemann M indes verweilte noch eine geraume Weile auf der festlichen Bühne, um die tief betroffene E zu trösten, deren Herz von Schmerz und Verzweiflung erfüllt war. Mit großem Mitgefühl nahm sich der Gatte einer anderen Frau der leidenschaftlichen Dame E an, die nach Liebe dürstete. Gemeinsam verbrachten sie einige Stunden in inniger Zweisamkeit, in denen die körperliche Nähe und ein Hauch von Verständnis ihre wahre Gesinnung offenbarten.
Doch schließlich, nachdem die Stunden verflogen waren, begab sich auch der Ehemann M in das private Refugium seines Freundes, um dort, wie zuvor beschlossen, in dessen Bett zu ruhen. Es war M und E‘ s gemeinsames Geheimnis, das sie in den Schatten der Nacht hüteten. Für ein ganzes Jahr schworen sie, kein Wort darüber zu sprechen – vermeintlich.
Akt 2
Hier befinden wir uns also, im gegenwärtigen Augenblick, dem unaufhörlichen Fluss der Zeit. C tritt nunmehr in den hell erleuchteten Scheinwerfern der Fernsehsendungen auf, wird eingeladen bei bekannten YouTubern – ein herzlicher Gruß an die Schnuffelhasen! – und erzählt seine Geschichte, die nun endlich Gehör findet. Wie ein Phönix, der aus der Asche emporsteigt, erhebt er sich wieder, wirkt nun auf den ersten Blick sympathischer denn je. Doch die Wogen der Verachtung, die gegen ihn aufbrandeten, sind hoch und ungestüm: Die Zuschauer richten ihren Zorn gegen die einst Verlassene und werfen ihr vor, was sie selbst einst in den Medien für ihre Zwecke ausschlachtete.
Eine verschmähte Mutter, einsam und verlassen mit einem hilflosen Kind, begibt sich in der Nacht ihres Geburtstages an die Seite eines verheirateten Mannes – aus Eigennutz, so wird es gesagt. Ein Verrat, für den es keine Gnade zu geben scheint. Die Ehe des einst so glücklichen Paares liegt in Trümmern, zerschmettert durch den Seitensprung, der ans Licht kam und alles zerstörte.
Es ist kaum zu ertragen, dieses traurige Schauspiel, das sich vor unseren Augen entfaltet. C darf seinen Sohn nicht sehen, da E unüberwindbare Schmerzen trägt und die Vergangenheit nicht zu verarbeiten vermag. Die Ehe zwischen M und F ist zerbrochen, wie ein zerbrochener Kristall, und die beiden kleinen Kinder müssen nun mit der bitteren Wahrheit leben: Während F mit großem Mut und aufopferungsvoller Hingabe ein neues, sicheres Heim für die Familie schafft, ist M am Boden zerstört. Er hat seine Würde, sein Ansehen, seinen Podcast-Job und seine Werbepartner verloren – alles, was einst sein Stolz war, muss er nun für einen Euro und 19 Cent verscherbelt. Ein tragisches Ende für einen Mann, der einst so viel Hoffnung in sich trug.
Und die Frage bleibt: Wer wird hier als Verlierer hervorgehen?
Akt 3
Kehren wir an dieser Stelle in unsere gewohnte Ausdrucksweise zurück. Ja, es ist ein wahres Drama, das medial aufgebaut wird. Wieviel davon inszeniert ist, oder wahr, dass wissen wir nicht. Wir müssen bedenken, dass wir uns in einer Welt bewegen, in der es um viel Geld geht, dass die Protagonisten nur generieren können, wenn sie genügend Reichweite produzieren. Da reicht es nicht mehr, wenn A gerade B kennen lernt. Die Zuschauer wollen Unterhaltung. Aber Unterhaltung die in 2 Minuten Schnipseln erzählt werden kann. Etappenweise und mit hübsch anzusehenden Charakteren.
In einem anderen Beitrag auf meinem Blog habe ich bereits über Untreue geschrieben – sie ist leider keine Seltenheit, sondern passiert täglich. Manche trennen sich deswegen, andere arbeiten gemeinsam an einer Lösung. Das, was hier passiert ist, ist keine Ausnahme, sondern leider die Regel. Also eigentlich kein mediales Ausnahmeereignis.
Schauen wir uns also die Hintergründe an. E hat das Publikum noch nie mit Sympathie in ihren Bann gezogen. Sie ist bekannt für Äußerungen die Adjektive wie: rücksichtslos, unempathisch, provozierend, taktlos und unangenehm verdienen. Die Menschen die ihr folgen, fahren auch bei Autounfällen langsamer als nötig vorbei um einen Blick auf die Unfallopfer zu erhaschen. Es ist diese Faszination für Themen, die wir selbst in unserem Leben nicht haben wollen. Protagonisten wie E wissen wie sie auf die anderen wirken. Was es mit ihnen tatsächlich macht, das können wir nur ahnen. Aber sie haben sich mit ihrem Image arrangiert und besetzen die Rolle pflichtbewusst und ehrgeizig. Sie leben gut davon. Hier geht es um Geld. Viel Geld.
Selbst M hat schon immer mit seinem Image gespielt. Es schwankt zwischen dem Prototypen eines unreifen Mannes und eines witzigen Familienvaters. So richtig wollen wir nicht glauben, das er manipulativ ist und ein gerissener Geschäftsmann, der für den großen Sieg seine Familie aufs Spiel setzen würde. Seine Optik wirkt so harmlos, wie der Blick eines treudoofen Hundewelpens. Aber in seinen TV Formaten hat er oft genug gezeigt, dass er gewinnen will. Er ist ein Taktiker im Schafspelz. Und er schlachtet dieses Drama medial aus. Mit großen Ankündigungen und provokanten Entscheidungen. Die Zuschauer fühlen sich unterhalten. Aus den gleichen Gründen wie bei E. Wir selbst sind froh, mit dieser Sorte Mensch nicht viel zu tun haben zu müssen. Und wenn wir es haben, dann sind wir froh, dass es anderen auch so geht.
Kommen wir zu F. Sie ist unsere große Hoffnung. Unser Kompass der guten Werte. Eine heilige Jungfrau auf den steilen Klippen in einem tobenden Sturm. Sie war in all den TV Formaten die kluge, schöne und charmante Frau. Ihre Bewegungen allein besitzen bereits eine Ruhe und Klasse, das wir sie einfach gerne beobachten in ihrem Sein. Ihre Äußerungen glänzen mit auf den Punkt gebrachten Erkenntnissen. Alles Kalendersprüche würdig. Und sie war die Retterin von M. Die erwachsene und starke Frau die den kleinen Jungen an die Hand nahm und zu einem erwachsenen Mann formte. Ohne sie, wäre er nichts. Es ist die klassische Idee, die viele Frauen besitzen, auch wenn wir sie nicht zugeben wollen. Wir wünschen uns, stark und klug genug zu sein, um einen Mann zum besseren zu verändern. Das dies nicht geht, habe ich in einem anderen Blogartikel bereits beleuchtet.
Wir kennen die Protagonisten. Sie alle bestreiten ihren Lebensunterhalt in der Öffentlichkeit mit einem bewusst aufgebauten Image. Die Produktionsfirmen arbeiten nicht nach sozialen Aspekten, auf das Wohl des Einzelnen bedacht. Sie besetzen ihre Formate mit Darstellern die polarisieren und die größtmögliche Konfliktdichte versprechen. Sie brauchen Darsteller die bereits ihre Nische in der Öffentlichkeit gefunden haben. Das alles ist nichts neues. Aber in diesem Konsens unabdingbar zu erwähnen. Wir schauen bei diesem Drama zu. Fühlen uns erinnert an eigene Erlebnisse und ergreifen Partei für bestimmte Charaktere, ohne sie persönlich zu kennen. Wenn wir uns 24/7 mit den Problemen der immer gleichen Personen beschäftigen, dann stehen wir ihnen Nahe. So funktioniert unser soziales Denken.
Was die berufstätigen Personen also medial auf den Tisch bringen, dass ist ihre Angelegenheit. Eine Storyline die uns als Zuschauer einige Wochen beschäftigt, bis etwas neues unser Interesse weckt. Was mich an diesem Fall aber wirklich fassungslos macht, ist Folgendes: Es geht langfristig um das Wohl der beteiligten Kinder. Im Zentrum dieses Konfliktes sind Familien beteiligt. Und dieser Aspekt bringt erst die nötige Würze in dieses Drama. Das hebt die Story von anderen Fremdgeh- Geschichten ab. Das M auch noch mit einer Kellnerin seine Ehefrau betrogen hat, wird zur Kenntnis genommen. Aber das was uns wirklich bewegt, ist die Dramaturgie: das eine alleinerziehende Mutter etwas mit einem verheirateten Ehemann anfängt und einer hochschwangeren Frau die Vision einer glückliche Familie dauerhaft zerstört. Eine Frau fügt einer anderen Frau bewusst oder unbewusst Schmerz zu. Zwei Frauen die eigentlich Verbündete sein müssten. Zwei Mütter.
Untreue ist weniger die Ausnahme als die Regel. Was leider auch zur Regel gehört, und das triggert hier, ist der Fakt das Kinder als Macht Instrument und Druckmittel ausgenutzt werden. Aus gekränkter Eitelkeit bei den Eltern. Wir haben in diesem Konstrukt zwei Frauen die nicht unterschiedlicher sein können. Die aufgeklärte und verantwortungsvolle Seite. Diese wird von F besetzt. Und die egoistische und rachsüchtige Frau, die dem Kindsvater das Kind entzieht. Diese Rolle wird von E besetzt. Es bilden sich klassisch Lager. Wir entwickeln aus der Ferne starke Gefühle des Hasses und der Bewunderung. Das Verkauft sich. Und was rückt wieder in den Hintergrund? Richtig. Die Kinder. Es geht nicht primär um das Wohlergehen des Kindes. Es geht um das Wohlergehen der Eltern.
Das Schicksal von drei Kindern im Vorschulalter wird aktuell langfristig entschieden. Wir alle haben auf der Straße schon die Eltern gesehen, die mit ihrem Smartphone beschäftigt waren und nicht bemerkten, dass ihr eigenes Kind ihre Aufmerksamkeit suchte. Mit Blicken oder dem Angebot von frisch gebackenen Sandkuchen in einer kleinen bunten Sandform. Abseits vom Rampenlicht stehen kleine Geschöpfe, die um ihre eigene Existenz nicht gebeten haben. Sie haben nicht entschieden, dass sie auf die Welt kommen. Sie haben keine Wahl gehabt in welche Familie sie geboren werden. Sie kommen schutzlos auf die Welt und brauchen Eltern, die sich darauf konzentrieren, diesen kleinen Wesen die größtmögliche Sicherheit zu bieten. Keine Kindheitstraumatas, die ihr zukünftiges Leben beeinflussen sollen. Sondern den bestmöglichen Start. Ich bin davon überzeugt, dass alle beteiligten Personen ihre Kinder lieben. Sie wollen ihnen finanzielle Sicherheit bieten. Aber Kinder verstehen nichts von unseren erwachsenen Gedanken. Sie sehen nur ob Mama und Papa da sind, oder eben nicht. Und fehlt ein Elternteil, dann müssen sie spühren, dass dieses Elternteil wieder kommt. Ob aller zwei Wochen am Wochenende, oder im Wechselmodell. Egal ob Mama und Papa nicht mehr zusammen sind, die Kinder brauchen die Sicherheit, dass ihre Eltern immer geschlossen hinter ihnen stehen. Es geht nicht um das Wohlbefinden der Eltern. Ob sie sich noch ausstehen können. Es geht um das neue Leben, und wie wohl es sich in dieser Welt fühlt. Denn die Eltern haben sich für dieses Kind entschieden. Nun sind sie dafür verantwortlich. Für immer.
Epilog
Ich gebe es zu, dieser Artikel konnte nur entstehen, weil ich jede neue Information in diesem Fall aufsauge. Das Drama ist näher an der Realität, als jeder Roman. Seit Jahren verfolge ich den Lebensweg dieser Menschen. Und so wie es mir geht, so geht es tausenden Menschen da draußen. Wir nehmen Anteil am Schicksal dieser Familien. Aber wir dürfen nicht vergessen, welches Geschäft im Hintergrund abläuft. In den nächsten Monaten werden wir TV Formate erleben. Und dort neue Details der vermeintlich privaten Schicksalsschläge erfahren. Das zieht Zuschauer, generiert Einschaltquote und erhöht die Garantie darüber hinaus wieder gebucht zu werden. Es ist ein Geschäft. Es ist Unterhaltung. Real sind hier nur die langfristigen Veränderungen für die beteiligten Kinder.