Reizbarkeit. Müdigkeit. PMS.

Nicht jede hat PMS, aber wir alle kennen ihre Begleiterscheinungen. Ich habe mich mit aktiver PMS an den Rechner gesetzt und lasse euch an einen dieser Tage teilhaben.

Warum PMS mehr ist als nur Stimmungsschwankungen

Mir ist heute nach Vorwürfen. Was ich heute nicht dafür brauche: Gründe. Ich brauche nicht einmal ein separates Thema, das ich aufmachen muss. Es ist ganz einfach.

Ich habe PMS. Oder anders ausgedrückt: „Bekommste wieder deine Tage?“.

Menschen, die nicht Teil der anonymen PMSler sind, haben keine Vorstellung, welche Qualen dieses Syndrom bereiten kann.

Berichte von Zeitzeugen gelten als eindringlicher und nachvollziehbarer, als reines aufzählen von Fakten und Daten. Heute möchte ich meinen Teil dazu beitragen, dass die Scham und das Aushalten-müssen uns Betroffene nicht mehr zum Schweigen zwingt. Einfach weil wir keine Einzelfälle sind, die sich ganz besonders zickig anstellen, sondern wir sind VIELE.

Meine Erfahrung

Mein Tag beginnt normal. Obwohl, was heißt normal? Es ist mehr ein misstrauisches Abtasten ob die nächsten Minuten und Stunden auch so bleiben. Bei jedem Schritt, bei jedem Handgriff und bei jedem aufkommenden Gedanken bin ich wachsam. Nicht weil ich auf die 80 Jahre zugehe und über Rückenschmerzen und wackelige Beine klagen möchte. Nein, ich gehe auf meine nächste Regelblutung zu. Für den einen ist es ein Tabu Thema, für den anderen die schlimmste Zeit des Monats und für die meisten Männer ist es ein „ich gehe in Deckung, Sex gibt’s ja auch keinen.“

Ich Taumel zur Kaffeemaschine. Stelle noch recht entspannt fest, dass mein Kaffeevorrat langsam zur Neige geht. Auf meiner imaginären Einkaufsliste ergänze ich gedanklich diesen Posten. Schließlich brauche ich den Kaffee am Morgen, um besser in den Tag zu starten.

Trinke vorsichtshalber trotzdem nur eine Tasse. Zum einen, weil ich weiß, dass ich in meinem Zustand ein Gedächtnis einer Fliege besitze und zum anderen, weil ich in diesem Zustand sowieso schon zu Nervosität neige. Ich schaue verstohlen zur Uhr und freue mich, dass ich noch so viel Zeit habe, bis ich losmuss. Es sind diese Tage im Monat, in denen ich jede einsame Minute als wahre Energiequelle auskoste.

Meine Müdigkeit ist nicht verschwunden. Die niedrige Dosis an Koffein reicht nicht aus, um daran etwas zu ändern, also finde ich mich damit ab. In den nächsten drei Tagen bis zur roten Linie bin ich in vielen Bereichen meines Seins nicht in Bestform. Nervös, müde, vergesslich. Um nur drei zu nennen.

So Taumel ich also zum Auto, ins Büro, fahre meinen Rechner hoch. Lausche den Stimmen meiner Kollegen, der Musik. Wenn ich den Begriff „Reizüberflutung“ mit Leben füllen müsste, dass wäre die Beschreibung. Mir ist jetzt schon alles zu viel.

Bevor ich richtig in den Workflow komme, brauche ich drei Stunden Zeit. Zunächst hadere ich nämlich mit mir. Da reichen meine Gedanken von „Ist das laut hier“ bis zu „Ich habe einfach kein Bock mehr.“.

Ich verfüge in dieser Phase weder über Leichtigkeit noch über Humor. Selbst meine Kreativität ist am niedrigsten Punkt angekommen. Quasi gar nicht mehr messbar.

Ich habe Mühe mich auf Unterhaltungen zu konzentrieren. Mein Kollege erzählt mir leidenschaftlich von seinem letzten Kinobesuch. Ich empfinde nichts. Weder habe ich mir den Filmtitel gemerkt noch, warum er so euphorisch ist. Mich beschleicht ein schlechtes Gewissen und ich versuche meine Mimik so anzupassen, dass es zu mindestens für mein Gegenüber so aussieht, als wäre in mir drin irgendjemand zu Hause.

Meine Aufmerksamkeitsspanne ist so ungewöhnlich kurz, dass ich zwischen meiner Arbeit und allen möglichen Ablenkungen hin und her springe. Da ein Zug der laut bremst, dort ein klingelndes Telefon, hier ein Text, auf den ich mich konzentrieren sollte. Mein Gehirn möchte nicht komplex denken. Mein Körper möchte sich auf der Couch unter einer kuscheligen Decke zusammenrollen.

Wenn der Körper zum Feind wird

In dieser Phase wünsche ich mir einen Infekt, etwas Körperliches, damit ich zum Arzt kann. Die Kopfschmerzen bleiben diesen Monat aus. Ein Grund zur Freude. Und ein Grund mehr, mich jetzt einfach zusammen zu reisen. Ich möchte doch nur funktionieren. Aber alles in mir läuft auf Sparbetrieb.

Die Erklärung „ich habe PMS, vielleicht ist es auch schon die stärkere Form PMDS.“ Reicht nach meinem Empfinden nicht aus, um mich von meinen Pflichten zu entbinden. Weder mein Arbeitgeber noch meine männlichen Kollegen werden nachempfinden können, warum ich ins Bett gehöre und nicht auf den Bürostuhl. Meine Symptome sind nicht ansteckend. Mir fehlt nichts. Ich bin nur eine Frau kurz vor ihren Tagen. Und trotzdem überfordert mich nach Stunden auf Arbeit einfach alles.

Hier geht es nicht um das Schreckgespenst: Depressionen oder andere psychische Störungen. Hier geht es NUR um PMS. Ein Syndrom das für drei Tage in das Leben vieler Frauen kommt. Jeden Monat, mal stärker mal schwächer. Warum jammern wir also?

Das sich diese Taubheit in drei Tagen legt und verschwindet wie ein schlechter Traum, ist mir bewusst. Dass sie in den nächsten Wochen aber wieder kommen, weiß ich auch. Ich nehme Supplements speziell für Frauen, damit die Symptome nicht so schlimm werden. Und es hilft natürlich. Aber sie lassen diesen Albtraum nicht verschwinden.

Dieses hin und her stresst mich. Meine Umwelt. Alle.

Unterstützung und Verständnis für Frauen mit PMS

Und neben dieser Taubheit, Müdigkeit, Schwäche, Nervosität habe ich noch ein kleines Phänomen an meiner Seite: Reizbarkeit. Ich laufe nicht herum und schubse wildfremde Menschen. Nein, ich finde plötzlich Eigenschaften an meinen Bezugspersonen unausstehlich, die mich sonst kaum jucken. Als wäre da ein Vergrößerungsglas, dass alle Schwächen der anderen offenlegt. Ich fühle mich komplett im Recht. Was mir auch schon an anderer Stelle an Mitgefühl gefehlt hat, kommt jetzt so richtig zum Tragen.

Ich bin ein einziges Pulverfass. Ein Pulverfass, das explodiert und selbst ratlos ist, warum es überhaupt zum Knall kam. Ja, ich bin im Grunde an drei Tagen im Monat nicht zurechnungsfähig. Nach dem Knall erkenne ich dann auch die Opfer, die meine Reizbarkeit hinterlassen hat. Nicht jeden Monat passiert dieses Drama, es passiert von Zeit zu Zeit. Ich sehe es weder kommen, noch kann ich es verhindern. Das ist keine Ausrede, es ist aber auch kein schönes Gefühl.

Noch bevor ich mich mit Vernunft an meine Impulskontrolle machen könnte, ist es schon passiert. Da ist eine Dampfwalze in mir, wenn die erst einmal in Bewegung ist, dann hilft das panische auf die Bremse treten nichts. Ich höre mich reden, ich sehe mein Gegenüber und seine Ratlosigkeit.

Der Grund für den Konflikt? Alles in mir fühlt sich nach Anspannung an, da ist das Thema, über das ich mich letztendlich aufrege, völlig austauschbar. Dieses Ventil hilft mir kurzfristig alles rauszulassen. Nur ist meine Bezugsperson nicht mein emotionaler Prellbock. Und das, was ich an Vertrauen und Verbundenheit zerstöre, ist meine kurze Erleichterung nicht wert.

Gesellschaftliche Sicht auf Frauen und ihre hormonellen Phasen

Die Lösung? Ruhe und Einsamkeit. Denn wenn ich in diesen Tagen mit mir allein bin und keine Verpflichtungen habe, dann sind meine Symptome quasi nicht vorhanden. Erst in der Interaktion mit anderen Menschen, reagiert mein Nervensystem völlig über.

Warum ich diesen Text mit müden Augen und nicht so treffsicheren Fingern geschrieben habe? Wir haben das große Glück in einer Welt zu leben, in der wir unsere Erfahrungen und unsere Meinung frei äußern dürfen. Und mit dieser Offenlegung von eigenen Erfahrungen, schaffen wir ein kollektives Bewusstsein. Frauen leiden unter Hormonschwankungen. Diese Tatsache als Schwäche zu definieren ist nicht fair. Denn wir haben diese Schwankungen nur, da wir einen Zyklus haben. Ohne diesen Zyklus wären wir nicht in der Lage schwanger zu werden.

Das, was uns also immer wieder beeinflusst und ausbremst dient etwas Größerem. Wir sollten, meiner Meinung nach, eine Gesellschaft anstreben, in der wir Frauen als Gesamtpaket vollumfänglich akzeptiert werden. Inklusive dieser Phase, in der wir wirklich wegen Kleinigkeiten an die Decke gehen können und uns wirklich überfordert fühlen. Statt diese Wahrheit zu ignorieren, sollte sie Teil des Deals sein. Wir brauchen in diesen drei Tagen viel mehr Rücksicht, Akzeptanz und Unterstützung. Alle übrigen Tage sind wir wieder wahre Alleskönnerinnen.

PS: Diesen Text habe ich bewusst nicht überarbeitet, um die Gedankensprünge einmal zu dokumentieren.

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