anpassen. aufpassen. verpassen.

Wie ich meinen Weg aus meinen wiederkehrenden Beziehungsproblemen fand. Ein persönlicher Beitrag über mein jahrelang gelebtes People Pleaser Syndrom.

Wir hatten dieses Thema bereits angeschnitten, als es um den Valentinstag ging. Da es mich persönlich jahrelang selbst betraf und für viele Männer und Frauen die entscheidende Zutat für ihr selbstgewähltes Unglück darstellt, möchte ich mich in diesem Artikel ausführlicher damit beschäftigen.

Warum ich jahrelang brav war – und mich selbst dabei verlor

In unserem klassischen Rollenverständnis schreiben wir starre Charaktereigenschaften fest, die eine persönliche Entwicklung im Laufe der Jahre kaum vorsehen. Die Frau ist angepasst, rücksichtsvoll und friedliebend. Sie ist die gute Seele im Haus, die ein Heim schafft und die Kinder großzieht. Persönliche Entfaltung und eigene Interessen müssen oft für die andere zurückstehen, da dies in der Ausübung der Rollenverpflichtungen kaum vorgesehen ist. Dem Mann hingegen schreiben wir Attribute wie Durchsetzungsvermögen, Erfolg und Selbstbestimmung zu. Mit diesen Eigenschaften ist zum einen sichergestellt, dass die Familienkasse gefüllt wird und er nach der harten Arbeit einen Ausgleich in persönlichen Hobbys finden darf.
Eine Rollenverteilung, die das Familienkonstrukt in alle Richtungen stabil halten soll. Neben dem eigenständigen Beschützer braucht es keine gleich veranlagte Frau, die sich selbst beschützen kann. Was muss also zwangsläufig her? Genau, einer, der führt, und eine, die folgt. Und ob wir das nun wollen oder nicht, diese Logik leben wir Menschen in unserem sozialen Gefüge seit Generationen – nur unterschiedlich stark ausgeprägt.
Wie langwierig solch ein Prozess ist, alte Denkansätze wirklich aufzulösen, zeigt sich in den Gegenbewegungen, die in sozialen Medien zelebrieren, dass die Frau ihren Mann nun doch wieder als das Zentrum ihres Lebens bestimmt. Eine besonders luxuriöse Variante eines alten Rollenverständnisses, gegen das andere Frauenbewegungen seit dem 19. Jahrhundert ankämpfen. Der einzige Unterschied zur Vergangenheit? Die Frauen im 19. Jahrhundert konnten sich in den seltensten Fällen selbst finanziell auf stabile Füße stellen; sie brauchten eine wirtschaftlich stabile Vermählung. Heute entscheiden sich Frauen bewusst für finanzielle Abhängigkeit.

Ich war die perfekte Partnerin – und trotzdem unglücklich

Umso älter ich werde, desto mehr stören mich die Ketten, die ich mir selbst angelegt habe. Denn ich bekenne mich schuldig. Ich allein trage die Verantwortung für meine selbst ausgewählten Partner und die sich daraus ergebenden Paardynamiken. Was ich damit sagen will?
Wenn ich mich in einen Menschen verliebe, dann möchte ich alles über diesen Menschen wissen: Hobbys, Beruf, Freunde und natürlich die Vergangenheit – und wie er dazu geworden ist, wie er heute eben ist. In all dieser Begeisterung vergesse ich dann mein eigenes Leben: Hobby, Beruf, Freunde und meine Vergangenheit, die mich zu der gemacht hat, die ich heute bin. Sind die Hormone in meinem Körper abgebaut, kommt auch die Erinnerung zurück. Und die Ernüchterung. Denn die Fehler, die ich zu Beginn der Beziehung mache, lassen sich nach zwei Jahren nicht mehr einfach ausradieren. Mein Partner ist es mittlerweile längst gewohnt, dass ich mit ihm zu seinen Fußballspielen gehe oder mit seinen Kumpels abhänge. Ich habe mich angenehm und bequem in sein Leben eingefügt und mache weder Lärm noch Dreck. Also die ideale Partnerin für ein klassisches Männerleben. Ich habe mich unbemerkt angepasst und in eine Rolle gedrängt, die mit mir so gar nichts zu tun hat.
Das sorgt für Wut im Bauch. Und vielleicht erwischst du dich beim Kopfnicken oder Kopfschütteln. Beide Positionen kenne ich. Denn natürlich ist mein Beziehungsproblem feinsäuberlich von mir selbst gestaltet worden.
Dass er jedes Wochenende auf dem Fußballplatz steht, statt mit mir spontan einen Städtetrip zu unternehmen, hat mich zwei Jahre lang nicht gestört. Nun fällt mir wieder ein, dass ich geschichtsträchtige Gebäude interessanter finde als Abseitsregelungen. Zwei Jahre habe ich mich ungefragt angepasst, nun hadere ich mit dem Fakt, dass mein Partner überhaupt keine Neigung zur Anpassung verspürt. Er sieht also gar nicht ein, ins Museum zu gehen – nur, weil ich das wieder mag.
Was ist also die Lösung des Problems? Er geht allein zum Fußball und trifft sich allein mit seinen Kumpels. Ich gehe mit anderen Leuten ins Museum und erfülle mir meine Wünsche selbst. Jeder ist in unserer Partnerschaft für sein eigenes Glück verantwortlich, und dann erzählen wir uns von unserem Tag. Nur gehört zu einer langfristigen Partnerschaft auch die gemeinsam verbrachte Zeit, und die wird immer weniger. Wie sollte es also anders sein? Die Lösung für das eine Problem ebnet den Weg für ein neues. Wäre ja sonst langweilig.
Eben noch verschmelze ich bereitwillig mit seinem Leben und mache es ihm einfach, und dann schütte ich ihn mit Zweifeln und Befürchtungen zu. Ich suche also wie besessen in der wenigen Zeit, die wir haben, das Gespräch. Er macht sich keine Gedanken, ich schon.
Ich bin eben ein People Pleaser. Ich möchte aus dieser Verpflichtung, immer allen gerecht zu werden, ausbrechen. Nur gelingen will es mir nicht. Das Dumme an dieser Paardynamik ist nämlich folgendes: Ich habe einen Mann gewählt, der nicht folgt.

Selbstliebe fühlt sich falsch an – am Anfang

Alles, was ich nur für mich mache, fühlt sich falsch an. Egoistisch. Als würde ich allein die Verantwortung für unser anstehendes Auseinanderleben tragen.
Ein Denkfehler, der so tief in meinem Unterbewusstsein steckt, dass ich mich wirklich regelmäßig zurück in die Faktenlage bringen muss. Wenn ich keine Zeit für ihn habe, sorge ich nicht aktiv dafür, dass meine Beziehung zerbricht. Ich sorge dafür, dass er mehr Raum hat. Er kann sich aktiv einbringen. Wenn er das nicht macht, dann geht er seiner Sorgfaltspflicht für das Gelingen unserer Partnerschaft nicht nach. Dann gebe ich ihm die Verantwortung dafür ab, verliere aber gleichzeitig die Kontrolle. Denn die Konsequenz muss ich trotzdem mittragen.
Denn nur allein für eine Partnerschaft zuständig zu sein und nur nach den Regeln des Partners zu funktionieren, das laugt aus. Nicht ihn. Nur mich. Das ist die andere Konsequenz, die ausschließlich ich trage.
Machen wir uns nichts vor. Mich plagen die Schuldgefühle, weil ich plötzlich zur vermeintlichen Egoistin werde, die jetzt ihren Kram machen will. Und er fühlt sich vor den Kopf gestoßen, weil ich seinen Kram nicht mehr mitmache. Eine blöde Situation. Zwei Leute, die sich nach jahrelanger Partnerschaft neu kennenlernen müssen.
Er hat sich ans Nehmen gewöhnt, ich mich ans Geben. Und diese Rollen einfach von heute auf morgen aufzulösen, fühlt sich auf beiden Seiten komisch an. Gesund ist es trotzdem. Und zwingend nötig.
Meine Wut und meine Vorwürfe über sein Verhalten kommen nur daher, dass er Freiheiten hat, die ich mir selbst nicht zugestehe. Er verabredet sich mit seinen Freunden, wenn ihm danach ist. Ich nicht. Ich schaue erst in den Terminkalender, ob es einen Tag gibt, an dem mein Partner sowieso keine Zeit für mich hat.
Er geht seinem Hobby nach, jede Woche, und stellt es vor die anderen Verpflichtungen, die müssen dann eben warten. Ich tue das nicht. Ich plane meine Verpflichtungen nach den Zeitfenstern, die mein Partner vorgibt. Ein völlig unlogisches Vorgehen. Aber People-Pleaser-Urtypisch. Ihm soll es an nichts fehlen. Nur fühle ich mich dadurch oft nicht wichtig. Nicht gesehen. Nicht respektiert und erst recht nicht verstanden.
Wenn er Zeit für sich braucht, dann nimmt er sich diese. Auch spontan. Ich nicht. Ich plane und komme auch Verabredungen nach, zu denen ich keine Lust verspüre. Ich möchte niemanden vor den Kopf stoßen oder Umstände machen.

Vom People Pleaser zur Frau mit eigenen Regeln

Wenn ich Verpflichtungen brauche, die meinem Leben eine klare Struktur geben, dann setze ich mir diese jetzt. Entgegen meinen Gewohnheiten von früher.
Ich betreibe diesen Blog. Zwei Artikel pro Monat sind mein festgesetztes Ziel. Eine Unterschreitung ist nicht erlaubt. Das heißt, neigt sich der Monat dem Ende zu, dann muss ich mir Zeit freischaufeln und Verabredungen absagen. Die müssen dann eben warten.
Das Ergebnis erscheint auf meinem Blog. Es ist also für mich erkennbar, dass ich tatsächlich etwas schaffe – aus mir selbst heraus. Und diese Arbeit hat einen Wert. Für mich und vielleicht auch für dich. Das alles passiert unabhängig von anderen. Das bedeutet Freiheit und Klarheit. Ich stelle mich an erste Stelle und nehme mir meinen Raum, statt mich in das Leben anderer einzufügen und möglichst lautlos zu existieren.
Außerdem habe ich mich dazu entschieden, zu gärtnern. Ich möchte mein Gemüse selbst anbauen. Ich möchte DIY-Projekte starten und schauen, was ich noch alles selbst vollbringen kann. Auch das bedeutet Freiheit für mich. Auch hier sehe ich ein Ergebnis, das von meiner Disziplin abhängt. Was für andere Menschen eine weitere einengende Verpflichtung ist, zwingt mich dazu, in meiner Welt zu bleiben, mein Leben selbst zu gestalten und zu leben. So verhindere ich, dass ich mich in all meiner Verliebtheit und Begeisterung selbst vergesse.
Ein Garten erdet mich, entschleunigt und bringt mich zurück zum Kreislauf des Lebens. Das Schreiben bringt mich näher zu mir selbst. Zu meinen eigenen Gedanken.
Ich bin auf dem Weg. Und der Rest? Der fügt sich.

👉 Wenn du wissen willst, wie du dich konkret aus dieser Dynamik befreien kannst, lies meinen Folgeartikel mit 7 klaren Schritten.

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